Im August 2014 hat die Gesamtschule Heinsberg den Schulbetrieb aufgenommen, seinerzeit mit vier Eingangsklassen. Seither hat sich einiges in und um unsere Schule verändert. Interessant dabei ist jedoch, noch einmal einen Blick auf die Anfänge zu werfen. Im folgenden geben drei Zeitungsartikel der Lokalpresse Auskunft über die Entstehung der Schule und ihre eingeschlagene pädagogische Richtung.
Städtische Gesamtschule Heinsberg-Oberbruch geht im August 2014 an den Start
HEINSBERG. Okay, die Bezirksregierung muss noch zustimmen, aber das dürfte eine bloße Formalität sein. „Die Stadt geht davon aus, dass diese Zustimmung Anfang Januar vorliegen wird,“ sagt Hermann Rademächers, der Leiter des Heinsberger Schulamtes.
Letzteres resultiert aus dem großen Zuspruch, den das Vorhaben Gesamtschule bei den Eltern der Grundschüler im Stadtgebiet fand. Mitte Januar sollen laut Schulamt die ersten Informationsveranstaltungen über die Bühne gehen. Die Eltern werden hierzu noch offiziell eingeladen. Viele können es dem Vernehmen nach kaum mehr erwarten, für ihre Sprösslinge endlich eine verbindliche schulische Alternative auf dem Weg zum Abitur in ihrer Stadt zu finden. Das eigentliche Anmeldeverfahren startet dann am 8. Februar 2014.
Mit dem Beschluss des Rates über die Etablierung der Gesamtschule in Oberbruch war auch der über das Auslaufen von Hauptschule und Realschule in dem Heinsberger Ortsteil verbunden. Eingangsklassen werden hier ab dem Schuljahr 2014/2015 nicht mehr gebildet. Auch die Schulträger der Nachbarkommunen waren angeschrieben und zu einer Stellungnahme zur beabsichtigten Schulgründung gebeten worden. Doch nicht überall löste das Vorhaben Begeisterung aus.
Während die Städte Hückelhoven und Geilenkirchen, die Gemeinden Gangelt und Selfkant, der Kreis Heinsberg und das Bischöfliche Generalvikariat Aachen „grundsätzlich keine Bedenken“ erhoben und auch Waldfeucht nicht dagegen Sprach, so lange es bei einer Beschränkung auf die Vierzügigkeit bleibe, war Wassenberg nicht gerade entzückt von der Idee. „Die Stadt Wassenberg befürchtet, dass die Gesamtschule in Oberbruch Auswirkungen auf die eigene Gesamtschule haben wird“, hieß es dazu in der Tischvorlage der Heinsberger Ratssitzung. In den letzten Jahren seien jeweils 40 Schüler aus der Stadt Heinsberg aufgenommen worden. Und eben diese könnten nun ausbleiben. Die Bedenken, dass sich dies etwa auf den Bestand der Schule negativ auswirke, teilten die Heinsberger jedoch nicht, da die Betty-Reis-Gesamtschule in diesen Jahren jeweils 100 Schüler abgelehnt habe. Auch im letzten Schuljahr seien es immerhin noch 65 gewesen.
Wassenbergs Bürgermeister Manfred Winkens relativierte denn auch auf Nachfrage unserer Zeitung die Brisanz. Natürlich habe sich die Zahl der abgelehnten Bewerber in Wassenberg nach der Einrichtung der Gesamtschule in Ratheim schon reduziert. Die genauen Zahlen kenne er zwar nicht. Aber es sei ja nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer sinkenden Bewerberzahl auch die Auswahlmöglichkeiten der Schule weiter eingeschränkt würden. Dass die Schulleitung dies nur ungern sieht, ist naheliegend.
Punktlandung für Gesamtschule in Oberbruch
Erst im Laufe des Freitagvormittags, kurz vor dem ultimativen Ende der Anmeldefrist, erfolgte die alles entscheidende Anmeldung – die 100ste aus der Stadt selbst, denn genau die hatte die Bezirksregierung zur Genehmigung der Schule gefordert. Da spielte es schon fast keine Rolle mehr, dass zum neuen Schuljahr insgesamt 112 Mädchen und Jungen die neue Gesamtschule besuchen werden.
Kinder freuen sich riesig
„Man kann Heinsberg also wirklich gratulieren, dass die Stadt jetzt eine Schule für alle Kinder unter einem Dach etablieren kann“, sagte Ehmig. „Mich freut es besonders für die Eltern und Kinder, dass sie nun die Wunschschulform besuchen können. Ich habe mit vielen Kindern bei der Anmeldung gesprochen. Sie sind sehr aufgeregt, neugierig und freuen sich riesig auf ihre neue Schule.“ Ehmig ist sicher, dass nun auch die Bezirksregierung schnell einen Schulleiter ernennen werde, „der gemeinsam mit einem kleinen, engagierten Team in die Startphase eintreten und die Schule auch in Zukunft erfolgreich führen wird“.
Bislang habe sich die Bezirksregierung im Hinblick auf einen geeigneten Kandidaten allerdings noch nicht in die Karten schauen lassen, erklärte Rademächers. „Wir gehen davon aus, dass wir da Anfang, Mitte März mehr sagen können.“ Inklusive Schulleitung wird das Kollegium zunächst aus acht Lehrern und einem Sonderpädagogen bestehen. Wolf Krämer-Mandeau von der Projektgruppe Bildung und Region habe eine „Raumoptimierung“ vorgenommen mit dem Ergebnis, dass die Gesamtschule in den Räumen der Hauptschule an den Start gehe, erläuterte Rademächers weiter. „Später soll dann die Oberstufe im Realschulgebäude untergebracht werden.“ Sechs Räume sind zunächst für die neue Schule eingeplant.
„Ich bin fest davon überzeugt, dass dies jetzt die richtige Entscheidung war“, schob Ehmig nach. „Ich habe im letzten Jahr schon nicht verstanden, dass zunächst der Weg über die Sekundarschule gesucht wurde.“ Vom Erfolg der neuen Gesamtschule in Oberbruch ist er derart überzeugt, dass er glaubt, schon im nächsten Jahr müssten die ersten Bewerber abgewiesen werden.
Am Ende resümierte ein hochzufriedener Bürgermeister: „Ich bin glücklich, dass die Gesamtschule zustande gekommen ist und der Schulstandort in Oberbruch damit stabilisiert wird. Das schulische Angebot in Heinsberg ist so im Interesse unserer Kinder erweitert worden. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für ihr Engagement, um diese Punktlandung zu erzielen.“
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Hereinspaziert: Bürgermeister Wolfgang Dieder, Manfred Ehmig, Schulsekretärin Andrea Heinrichs, Peter Ruske und Hermann Rademächers (von rechts) freuen sich schon jetzt auf die ersten Schüler der neuen Gesamtschule in Oberbruch. Fotos: Rainer Herwartz |
Das erste Kollegiumsgruppenfoto
August 2014
Gesamtschule geht neue Wege: Individualität und Selbstverantwortung
Strukturierter Alltag
„Wir haben unseren Alltag so strukturiert, dass die Kinder zunehmend in ihrem eigenen Tempo und Niveau arbeiten können. Das heißt, wir nehmen jeden Unterrichtstag bereits morgens bei einem ,Gemeinsamen Anfang‘ in den Blick.“ Es handele sich im Prinzip um eine ritualisierte Sozialübung, beschreibt Ruske, was dort geschieht. „Die Kinder einer Klasse sitzen eine halbe Stunde lang im Stuhlkreis und halten zum Beispiel Klassenrat, der sich mit einer Verbesserung des Klassenklimas beständig auseinandersetzt.“ Auch die Betreuung eines Lerntagebuchs, an der Gesamtschule in Oberbruch Navigator-Pflege genannt, kann hier erfolgen. Dieser Schulbeginn biete Zeit für Sozialübungen mit der Sonderpädagogin oder eine Wochenendreflexion. „Das ist ja sehr wichtig“, glaubt Ruske. „Wenn ein Kind ein schlechtes Wochenende hatte, wird es in diesem Rahmen aufgefangen.“
Freitags werde der „Gemeinsame Anfang“ in den Klassen durch das sogenannte Assembly ersetzt, eine Schulversammlung aller derzeit 111 Schüler und zehn Lehrer in der Aula. „Während wir im Klassenverband eine Kultur der Wertschätzung für das einzelne Kind pflegen, steigern wir dies in der Schulversammlung dadurch, indem wir dort die Kinder öffentlich loben. In der Lobkultur werden rückblickend auf die Woche tolle und hilfreiche Leistungen gewürdigt.“ Was auf den ersten Blick bei eher nüchtern veranlagten Zeitgenossen vielleicht etwas „sehr alternativ“ wirken mag, erklärt Ruske so: „Das Lob in der Gruppe dient der Stärkung der Persönlichkeit und schafft eine positive Grundhaltung für die Übernahme von Verantwortung.“
Eine weitere Besonderheit der Oberbrucher Gesamtschule sei das „Lernen in Lernbüros“, erklärt der Schulleiter. Es werde für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch umgesetzt. „Hier geht es nicht, wie in ähnlichen Konzepten üblich, um die Wiederholung oder Vertiefung von Lerninhalten, sondern um Kompetenz erwerbendes Lernen. Die Unterrichtseinheiten in den Lernbüros sind Bausteine, die bearbeitet und erfolgreich abgeschlossen werden müssen. Am Ende kann der Schüler individuell den Zeitpunkt seiner schriftlichen Prüfungsarbeit bestimmen.“
Wer nun jedoch gleich befürchtet, durch so viele selbstbestimmte Lernentscheidungen seien im Unterricht der Anarchie Tür und Tor geöffnet und zum Schluss würden die lieben Kleinen überhaupt nur noch dann lernen, wenn sie Lust dazu haben, irrt sich gewaltig. Ein Blick in ein solches Lernbüro zeigt das genaue Gegenteil. Es herrscht eine konzentrierte, produktive Stille. Frontalunterricht gibt es hier nicht. Immer wieder wechselt Deutschlehrerin Marion Jakobs ihren Platz. Gesellt sich einfühlsam zu dem Kind, dass gerade ihre Unterstützung benötigt. Die kleinen Gruppen und anzufertigenden Lernprotokolle verhindern dabei, dass ein Kind der Aufmerksamkeit der Lehrerin entgeht.
„Wir haben uns für diese Schüler aktivierende Lernform entschieden, weil gleichzeitig mehrere Aspekte wie individuelle Förderung, Selbstverantwortung und Lerneffizienz erzielt werden“, erläutert Ruske. „Zudem enthält das Konzept der Lernbüros eine probate Antwort auf einen inklusiven Schulalltag.“ Gleichwohl räumt Ruske ein: „Auch für uns Lehrer ist das Konzept Neuland. Die Berliner Schulleiterin Margret Rasfeld hat es in ihrer Schule entwickelt und in mehreren Veröffentlichungen darüber berichtet.“
Mittlerweile gebe es sogar schon Eltern, die in der Schule hospitieren möchten, um das Modell kennenzulernen. „Auch andere Schulen aus dem Kreis interessieren sich für unser Konzept“, freut sich Ruske. „Ziel ist die möglichst optimale Potenzial-entfaltung jedes Schülers.“ Und welche Schule sollte diesen Gedanken nicht unterstützen ...
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Marion Jakobs nimmt sich im Lernbüro für den Deutsch-Unterricht und ihre Schüler viel Zeit. Jeder wird dort unterstützt, wo er gerade ihre Hilfe benötigt. |